Kinder-ECHO besucht die Orthopädisch-Chirurgische Praxis Behr, Erben, Riemenschneider in Darmstadt

Der Pausengong tönt. Die Drittklässler Paul und Linus rennen auf den Schulhof. Paul stößt mit voller Wucht gegen ein Geländer. Das tut weh. Mehr als sonst, wenn er mal hinfällt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht läuft der Neunjährige zusammen mit seinem Schulkameraden ins Sekretariat. Die Eltern werden verständigt, seine Mutter holt Paul ab und fährt mit ihm zum Arzt. In diesem Fall nicht zu einem Kinderarzt, sondern direkt zu einem Spezialisten, der die Zulassung für Arbeits-, Schul- und Kindergartenunfälle hat – in die Orthopädisch-Chirurgische Praxis Behr, Erben, Riemenschneider am Elisabethenstift in Darmstadt.

Am Empfang nimmt die Arzthelferin die Daten von Paul auf: Er soll kurz schildern, wann, wie und wo der Unfall passiert ist. Kurz darauf  nimmt Paul im Wartezimmer Platz und wird dann gleich ins Behandlungszimmer gerufen. „Unfälle werden natürlich ohne Wartezeiten sofort drangenommen“, erklärt der Orthopäde Dr. Patric Behr, der die Praxis zusammen mit Dr. Björn Erben und Dr. Stefan Riemenschneider führt.

Patric Behr untersucht den Jungen und  vermutet eine „Grünholz-Fraktur“ – das ist der häufigste kindliche Bruch, bei dem der Knochen am Handgelenk angebrochen ist. Nichts Schlimmes also. „Es muss aber dennoch geröntgt werden“, erläutert Patric Behr. Eine der sieben Arzthelferinnen übernimmt diese Aufgabe.

Bereits zwei bis drei Minuten später begutachtet der Doktor das Röntgenbild – es ist der vermutete Bruch. „Halb so wild, das kriegen wir schon wieder hin, du bekommst jetzt erst mal einen Gips“, erläutert er dem Neunjährigen.

„Wir erklären vor allem den Kindern immer genau, was wir als nächstes tun, und ob es vielleicht ein bisschen weh tun wird“, sagt der sympathische 42-jährige Arzt.

Zunächst mal darf der Junge entscheiden, welche Farbe sein Gips haben  soll: Rot, Grün, Blau oder Gelb. Der Gips ist heutzutage nicht mehr aus echtem Gips, sondern aus spezieller Kunststoffmasse mit wasserfester Kunstwatte. „Ein Kunststoffgips hat den Vorteil, dass er wesentlich leichter ist, nass werden darf  und man  damit auch duschen kann“, erklärt der Orthopäde. Paul entscheidet sich für einen blauen Gips.

Patric Behr legt Paul zunächst die Kunstwatte um den Arm, die Knochenvorsprünge werden damit unter anderem auch abgepolstert. Dann zieht sich der Orthopäde Handschuhe an und holt die fertige, recht klebrige Kunststoffbinde aus einem vakuumverpackten Beutel und wickelt diese mehrfach um den Arm seines Patienten.

„Nun muss das Material noch etwa  10 Minuten trocknen, dann darfst du nach Hause gehen“, ermuntert der Orthopäde seinen jungen Patienten. Paul  hat den ersten Schmerz überwunden, muss sich aber noch an seinen neuen unbeweglichen Arm gewöhnen. Am Empfang vereinbart seine Mutter noch einen Kontrolltermin für den nächsten Tag. Behr: „Da müssen wir prüfen, ob der Gips auch richtig sitzt.“

Paul ist natürlich nicht der einzige Verletzte an diesem Vormittag. Im Wartezimmer sitzen noch viele weitere Patienten. Einige sollen wegen Rückenschmerzen mit Akupunktur behandelt werden, eine junge Mutter hat den Termin für eine Hüftultraschall-Untersuchung ihres Säuglings, ein Mädchen mit Fußfehlstellung braucht neue Schuheinlagen, eine Frau leidet an einem Hexenschuss, ein älterer Patient mit einem Bandscheibenvorfall wird gerade behandelt, ein junger Mann ist beim Joggen mit dem Fuß umgeknackst und, und, und.

Seit 8 Uhr früh sind Patric Behr und seine zwei Partner ununterbrochen beschäftigt. Um 13 Uhr gehen die drei Ärzte kurz zum Mittagessen – meistens in die Krankenhauskantine und ab und zu auch mal in eines der naheliegenden Restaurants. Ab 14 Uhr geht’s in ähnlichem  Tempo wie am Morgen weiter. „Pro Tag kommen  200 bis 300 Patienten in die Praxis, darunter etwa 15 Kinder – nicht alle werden behandelt, manche vereinbaren auch nur einen Termin oder holen ein Rezept ab“, sagt Behr.

An den Donnerstagen beispielsweise ist für Patric Behr „OP-Tag“ – also Operations-Tag. Kleinere Eingriffe operiert er im praxiseigenen Operationsraum, die Betäubungsspritze setzt er in diesem Fall selbst. Größere OPs führen die drei Ärzte auch nebenan im Krankenhaus Elisabethenstift durch. Hier nimmt ein Anästhesist, also ein Narkosefacharzt, die Betäubung vor.

Wie bei allen OPs muss auch der Orthopäde stets Mundschutz, grünen Kittel und Haube tragen. Warum sind die Kittel eigentlich immer grün oder blau und nicht auch weiß, wie die übliche Arbeitskleidung von Ärzten?

„Weil das extrem helle Operationslicht bei weiß blenden würde“, erklärt Patric Behr.  Klar, weiß ist ja auch heller als andere Farben, reflektiert also mehr, ähnlich wie bei Schnee und Sonnenschein im Winter. Aber das nur nebenbei.

Außer den rein ärztlichen Behandlungen fallen natürlich noch viele andere Aufgaben an. Organisatorische Dinge müssen besprochen werden: Wer macht was, wenn einer der drei Ärzte erkrankt ist? Welche Arzthelferin erledigt heute dies, welche das? Der Drucker ist defekt – das muss geregelt werden.

Um ihre Zulassung als Orthopäden zu behalten, müssen die drei Partner wie alle Ärzte mehrmals jährlich an  Fachtagungen oder Kongressen teilnehmen. Manchmal halten sie  auch selbst Vorträge.

Trotz des täglichen Stresses mit wenig Pausen liebt Patric Behr seinen Beruf. „Es macht Spaß, mit Menschen zu arbeiten, Patienten helfen zu können und sie zu heilen. Außerdem bringt jeder Tag etwas Neues, man weiß am Morgen nie, wie der Tag endet.“

Der normale Arbeitstag endet für Patric Behr und seine beiden Partner offiziell nach der Sprechstundenzeit um 18 Uhr. Fast immer schafft es Patric Behr, abends gemeinsam mit  seiner Frau und den beiden drei- und achtjährigen Söhnen zu Abend zu essen. Unverhofft kommt zwar nicht oft, aber dennoch ab und zu mal. Denn die Patienten brechen sich nicht immer zu den offiziellen Sprechstunden die Beine. „So wie neulich Abend, als meine Schwiegermutter von der Leiter gefallen ist und wir den Armbruch spontan operieren musste“, erzählt er.

Und wie geht’s eigentlich Paul? Vier Wochen nach seinem Sturz, kommt der Junge zum Gipsabnehmen in die Praxis. Mit einer kleinen elektrischen Säge, die eher an eine elektrische Zahnbürste erinnert, schneidet  Patric Behr den Gips vorsichtig auf und klappt ihn auseinander. Weh tut das überhaupt nicht. Nun tastet er den Arm von Paul vorsichtig ab. „Drückt noch was oder tut es noch weh, wenn du den Arm bewegst?“, fragt der Arzt. Nein… alles in Ordnung. Der Arzt rät Paul noch zu einigen Übungen, damit der Arm wieder beweglicher wird und verabschiedet sich von dem Jungen mit einem Augenzwinkern: „Auf Wiedersehen, aber hoffentlich das nächste Mal ohne Arm- oder Beinbruch.“ Christina Kolb

Wie werde ich Orthopäde?

„Die Ausbildung zum Orthopäden dauert mindestens  12 Jahre“, erklärt der Darmstädter Orthopäde Dr. Patric Behr.

Um diesen Beruf zu erlernen, muss man zunächst einmal Abitur machen und Humanmedizin studieren. Das Studium dauert sechs Jahre. Aber nach dem Examen, also dem Abschluss, kann  man noch lange nicht als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie  arbeiten. Hierfür benötigt man erst mal die Approbation, also die Zulassung, als Arzt arbeiten zu dürfen.

Danach  dauert die Ausbildung zum Facharzt weitere sechs Jahre. „Die meisten Ärzte promovieren zudem, schreiben studienbegleitend eine Doktorarbeit über ein spezielles Thema und erhalten somit den Doktortitel“, erklärt Patric Behr.

Erst nach dieser langen Ausbildungszeit darf sich ein Arzt  Orthopäde nennen.